Preisträger 2018/19

  

Preisträger: MC497, Ein Wohnhaus aus Stahlbeton

Martin Jost l Akademie der Bildenden Künste München

Der Entwurf eines Wohnhauses behandelt auf künstlerische Weise die Frage der Sichtbarkeit des Tragverhaltens von Stahlbeton-konstruktionen. Ein filigranes Gefüge aus verspringenden Plattformen und Stützen bildet eine begehbare Raumskulptur, die die Instabilität und Bewegungsfähigkeit eines Mobiles vermittelt. Mit ihrer schlichten Reduktion und Ästhetik stellt die Arbeit einen faszinierenden Beitrag zum Wettbewerb dar.

Grundlage des Entwurfs ist der Gedanke, dass statische Funktionen wie die Aufnahme von Zug- und Druckkräften bei Konstruktionen aus Stahlbeton durch die Überdeckung des Bewehrungsstahls mit Beton ein Stück weit verborgen werden. Es entstehen volumetrische Bauteile, die ihre innere Beanspruchung nicht auf den ersten Blick erkennen lassen. Diese Ambivalenz im Material übersetzt der Entwurfsverfasser in ein räumliches Gefüge aus fünf versetzt übereinander liegenden, durch einläufige Treppen verbundenen Geschossdecken, die wechselnd von sechs unterschiedlich langen Stützen getragen werden und in verschiedene Richtungen auskragen. Das Ergebnis weicht auf irritierende Weise vom gewohnten Anblick regelmäßig organisierter Konstruktionen wie beispielsweise dem ‚Maison Dom-Ino‘ von Le Corbusier ab. Das Auge des Betrachters ist zunächst verwirrt und vermutet Instabilität. Bei näherer Betrachtung werden die unterschiedlichen Lastfälle im System erfahrbar.

Die Jury bewertet den Wettbewerbsbeitrag als begehbare Raumskulptur, weniger als baubares Wohnhaus. Das Projekt bleibt in Erinnerung, da es mit ganz einfachen Mitteln, ohne eine einzige geschlossene Wand, ein komplexes, spannungsvolles Raumgefüge entwickelt. Es gibt der Plastizität des Materials Beton eine abstrakte, minimalistische Ausdrucksform, die an ein Mobile erinnert, welches sich immer wieder frei verformen kann. Die sich aus der Konstruktion entwickelnde Fragilität drückt sich wunderbar in den entstehenden Raumbeziehungen aus. Von der Jury besonders hervorgehoben wird die hohe ästhetische Qualität des im Maßstab 1:25 gebauten Betonmodells, das auch als künstlerisches Objekt für sich selbst stehen kann.


Preisträger: FL963 - MM020, Wohnutopie

Maximilian Blume | Technische Universität München

Mit der Arbeit ‚Wohnutopie‘ zeichnet die Jury einen Beitrag aus, der vor dem Hintergrund wachsender Wohnungsnot in Großstädten einen städtebaulich radikalen Vorschlag macht. Als Neuinterpretation der großmaßstäblichen ‚Wohnmaschinen‘ der Nachkriegsmoderne schafft das ca. 80 Meter hohe Gebäude an einem sehr ungewöhnlichen Ort Wohnraum für bis zu 1000 Menschen: Aufgeständert wie eine Brücke, überspannt es die gut 200 Meter breiten Gleisanlagen der Bahntrasse nahe dem Münchner Hauptbahnhof und verbindet so zwei Seiten der Stadt. Im Sinne eines Prototyps soll es auch über Parkplätzen oder Hauptverkehrsstraßen realisiert werden und so eine Antwort auf die Frage nach einem nachhaltigen Umgang mit dem verfügbaren Grund und Boden in Städten mit wachsender Bevölkerung geben.

Möglich macht dies die besondere Organisation des riesigen Gebäuderiegels: Während die unterste Ebene auf 16 Metern Höhe eine seitlich offene „Magistrale“ mit gewerblicher Nutzung vorsieht, sind die darüber liegenden Wohngeschosse mehrschichtig angelegt: Den wie Reihenhäuser zu zwei Seiten ausgerichteten Wohnungen sind breite, verglaste Pufferschichten vorgelagert, die Wetter- und Lärmschutz bieten und im Westen als Erschließungsweg, im Osten als Terrassenzone dienen. Die Wohnungen selbst sind in einem modularen Leichtbau-System teilweise als Duplex angelegt und ermöglichen unterschiedlichste Wohnformen wie Single Apartments, Familien- und Clusterwohnungen; dazwischen liegen Gemeinschaftsflächen und öffentliche Plätze. Als Genossenschaftsmodell organisiert, setzt das Projekt gemeinschaftlich orientierte Wohnformen in verdichteter Form in einer urbanen architektonischen Großform um. Im Zuge der Nachverdichtung wird eine alte Hybrid-Typologie aufgegriffen: Bebaute bzw. bewohnte Brücken – die Kombination von Wohnbau und Infrastruktur – gab es bereits im Mittelalter. Im vorgeschlagenen Kontext über den Bahntrassen verknüpft der Entwurf außerdem auf faszinierende Weise das Immobile mit dem Mobilen, statische Ruhe mit Bewegung. Die konsequent seriell konzipierte Tragstruktur aus Betonfertigteilen – ein Stahlbetonskelett mit aussteifenden Stahlbetonverbunddecken – zeigt mit ihren großen Spannweiten eindrucksvoll die Leistungsfähigkeit des Baustoffs.

Der Entwurf überzeugt die Jury auch durch seinen skulpturalen Ausdruck. Der rohe, raue Sichtbeton ist eine gelungene Reminiszenz an die brutalistischen Wohnbauprojekte der 1950er bis 1980er Jahre und vermittelt die Plastizität und atmosphärische Kraft des Werkstoffs. Auf allen Ebenen von der Großform bis ins Detail sehr gut durchdacht, ist die Arbeit ein äußerst gelungener Beitrag zum Wettbewerb.


Preisträger: MM037, ZEIT & RAUM

Dominik Keul | Technische Universität Braunschweig

Der Entwurf für ein Observatorium und Planetarium in den Berchtesgadener Alpen überzeugt die Jury als sehr konzeptionelle, spekulative, bis ins Fiktionale reichende Arbeit, die unterschiedliche Zustände von Architektur und Nutzung in Zeit und Raum zu kartieren versucht. Eingefügt in das natürlich entstandene Wegenetz auf der Gotzenalm soll ein Ort für die Astronomie entstehen.

Der ihr innewohnende Zweiklang aus wissenschaftlichem Forschungsdrang und philosophisch-spiritueller Suche nach der Stellung des Menschen im Universum wird als entwurfsprägendes Spannungsverhältnis inszeniert: Vier massive, unterirdisch verbundene Kernbauten aus Beton sind umgeben von einem in alle vier Himmelsrichtungen ausgreifenden System aus riesigen Vierendeel-Trägern und offenen Plattformen aus Stahl, das wie ein Raumschiff über der Landschaft zu schweben scheint. Dieser leichte, offene „Bewegungsraum“ ist flexibel nutzbar für Ausstellungen, Seminare und Vorträge, während die introvertierten, massiven Kernbauten dauerhafte Einrichtungen wie das Planetarium, das Observatorium und ein Schlafhaus für Wanderer beinhalten. Es entsteht ein raffiniertes volumetrisches Spiel, bei dem sich die beiden durch Beton und Stahl, Massivität und Leichtigkeit, Dauerhaftigkeit und Vergänglichkeit geprägten Sphären überlagern und in ständiger Spannung zueinander stehen. Sie besitzen unterschiedliche Nutzungsphasen und Halbwertszeiten: Im Winter werden nur die Kerne durch Forscher genutzt, während im Sommer durch den Besuch von Wanderern auch der Bewegungsraum aktiviert wird und aus der Forschungsstation einen Ort des Austauschs macht. Mit dem Blick in die ferne Zukunft zeigt der Entwurfsverfasser, wie der stählerne Bewegungsraum als vom Menschen geschaffenes Element verfallen bzw. verschwunden ist, während die Kernbauten wie Felsen in der Gebirgslandschaft bestehen bleiben.

Aus diesem spekulativen Moment heraus, dem Zusammenklang von Ursprung und Ende, von Beständigem und Vergänglichem, schöpft der Entwurf seine große erzählerische Kraft und atmosphärische Wirkung. Er besticht außerdem durch die hohe Qualität der Darstellung, die teils düster, fast dystopisch, zur Auseinandersetzung mit den großen Themen von Raum und Zeit, Mensch und Natur, Ordnung und Störung auffordert und viel Raum für Interpretation lässt. Einen sehr gelungenen Beitrag zum Thema PLASTICITY sieht die Jury in den faszinierenden Raumfiguren und Stimmungsbildern der Betonbauten. Darüber hinaus wird Plastizität besonders spürbar im Verhältnis der beiden Materialwelten, dem Beton als gegossene Ewigkeit und der montierten, vergänglichen Stahlkonstruktion als Gegenwelt.


Preisträger: MP294, CRUX Quadrata – Forschung mit textilen Schalungen

Maximilian Lauer, Patrizia Kopel l Technische Universität Darmstadt

Die Arbeit ‚CRUX Quadrata’ setzt sich mit den Möglichkeiten textiler Schalungen für Betonbauteile auseinander und löst so auf elegante Weise eine besondere geometrische Herausforderung. Angelehnt an das „Design 5“ des österreichisch-amerikanischen Bildhauers Erwin Hauer aus dem Jahr 1956 entwickelten die Verfasser ein filigranes, raumhaltiges Beton-Modul, bei dem sich zwei quadratisch angelegte Gitterraster versetzt zueinander überlagern und durch Querstreben an den Knotenpunkten verbunden sind. Seriell hergestellt, lässt es sich zu großen, lichtund luftdurchlässigen Flächen für Fassaden, als Sichtschutz oder raumgliederndes Element zusammensetzen.

Im Fokus des Projekts steht das „forschende Entwerfen“ mit textilen Schalungen: Zahlreiche Experimente zum Formbildungsverhalten von Beton in textilen Schalungen dienten gleichzeitig der Formfindung und der Entwicklung passender Schnittmuster zur Umsetzung. Dabei veränderte sich die Geometrie des Design-5-Moduls mit seinen runden Öffnungen hin zu einer an den Außenseiten kantig-quadratischen, im Innern rund ausgewölbten Struktur. Die entwickelte Textilschalung wird aus 12 kreuzförmigen Hauptmodulen, 12 Seitenmodulen und 4 Seitenwänden zusammengenäht, in eine Holzkonstruktion eingespannt und mit Beton ausgegossen. Nach dem Aushärten wird die Textilschalung entfernt und hinterlässt eine weiche, matte Oberfläche.

Neben der Intelligenz des Schnittmusters überzeugt die Jury besonders der konsequente Einsatz der Potentiale textiler Schalungen. Diese machen hier etwas scheinbar Unmögliches möglich – die komplexe dreidimensionale Struktur wäre mit anderen Schalungsmethoden praktisch nicht in einem Stück umsetzbar. Hinzu kommen weitere Vorteile wie eine hohe Material-und Kosteneffizienz, die die Forschung mit textilen Schalungen zukunftsweisend machen. Besonders positiv bewertet wird auch die enge Verbindung von gestalterischem Entwurf und praktischem Materialexperiment. Bei aller praktisch-technischen Raffinesse besitzt das Ergebnis aber auch eine sehr poetische Wirkung: Es hält den Moment der Plastizität des flüssigen Betons fest, der nicht in strenge geometrische Formen gepresst wird, sondern eine Weichheit behält. Beim Erstarren des Betons in der zuvor flexiblen und weichen Schalungsform findet ein Wechsel der Materialeigenschaften statt, der fasziniert. So ist die Arbeit ein eindrucksvoller Beitrag zum Wettbewerbsthema PLASTICITY.


Anerkennungen 2018/19

Anerkennung: GR119, Beton, Fluss, Masse

Gabriel Rihaczek l Universität Stuttgart

Das Projekt ‚Beton, Fluss, Masse‘ setzt auf faszinierende Weise das Wettbewerbsthema PLASTICITY um. Es greift die an der Universität Stuttgart erarbeitete Produktionsmethode „Hydroplotting“ auf und entwickelt aus der besonderen Ästhetik der so generierten Betonstrukturen ein räumliches Tragwerk. Die poröse, stellenweise transparente Struktur umschließt einen höhlenartigen, fließenden Raum ohne Programm oder räumlichen Kontext. Sie ist nicht als konkret umsetzbarer Entwurf, sondern als eine aus der technischen Entwicklung heraus formulierte architektonische Vision zu lesen.

„Hydroplotting“ beschreibt ein innovatives 3D-Druck-Verfahren, das mit Hilfe von Sandschalungen die Herstellung komplex geformter, poröser Betonstrukturen ermöglicht. Auf Grundlage eines digitalen Modells wird mit einem dreidimensional arbeitenden CNC-Werkzeug ein kontinuierlicher Wasserstrahl in ein Gemisch aus Sand und Bindemittel injiziert. Nach dem Aushärten wird der trockene Sand entfernt. Übrig bleibt ein starres Schalungselement, das ggf. mit weiteren Elementen zusammengefügt und mit Beton ausgegossen wird. Die entstehenden Strukturen können – je nach punktueller Anforderung an das Tragverhalten und die Transparenz – materialeffizient in ihrer Dichte variiert werden. Der dargestellte Entwurf zeigt mit großer räumlicher Ausdruckskraft die gestalterischen Potentiale des Materials Beton und der neuen Fertigungstechnologie. Auch wenn diese bisher nicht großmaßstäblich einsetzbar ist und weiterer Forschung bedarf, erfüllt die visionäre Darstellung einer möglichen Einsatzform in den Augen der Jury die wichtige Aufgabe, die technologische Entwicklung und ihre neuartige ästhetische Wirkung als Einheit zu denken.

Nicht zuletzt veranschaulicht die Arbeit auf einzigartige Weise die Plastizität von Beton, die auch nach dem Übergang vom flüssigen in den festen Zustand noch deutlich spürbar ist. Das vermeintlich schwere, massive Material bildet eine leichte, gewebeartige Struktur mit variierender Dichte und Transparenz. Für die Jury bleibt allerdings die Frage offen, wie in der frei geformten Konstruktion ohne klassische Bewehrung Stabilität und Duktilität erreicht werden kann. Hier könnten alternative Bewehrungsmethoden wie beispielsweise Faserbeton eingesetzt werden, wozu der Entwurfsverfasser aber keine Aussage trifft.


Anerkennung: MM333, Turm als Kolumbarium

Marc Mair, Matthias Peterseim l Technische Universität München

Die Entwurfsverfasser ergänzen den alten, dicht bewachsenen Friedhof Haidhausen in München mit einem Kolumbarium zur Aufnahme von Urnen nach Feuerbestattungen. Zur Gestaltung des runden, 36 Meter hohen Turms setzen sie Betonfertigteile im Sinne von stapelbaren „Kunststeinen“ ein und thematisieren sehr gelungen die Frage der Fügung. Die vertikale Bauform des Turms greift die Morphologie der Urne als stehendes Objekt und das aus altrömischer Zeit stammende Prinzip des Kolumbariums mit übereinander liegenden Grabnischen auf. Auf kreisförmigem Grundriss setzt sich das Bauwerk aus zahlreichen gestapelten Stelen zusammen, die die Urnen aufnehmen. Zwischen den Stelen entsteht ein intimer Ort des Innehaltens und Erinnerns. So verbildlicht der aus einzelnen Bausteinen zu einem harmonischen Gesamtobjekt gefügte Turm mit seiner ungerichteten Geometrie die Idee des Einzelnen als Teil des Ganzen – eine schöne bauliche Metapher für die Funktion.

Zentrales Gestaltungsmittel ist das Prinzip der Fügung: Die als Betonfertigteile vorfabrizierten Stelen stoßen nicht stumpf aneinander, sondern sind in der Stapelung durch horizontale Verschränkungen kraftschlüssig gefügt. Es entstehen charakteristische, Z-förmige Fugen, die den Elementen eine starke Plastizität verleihen. Die Oberfläche der Fertigteile aus Weißzement, Quarzsand und Kies ist leicht angeschliffen, wodurch sie an Perfektion verlieren und an antike Werksteine erinnern. So vermittelt die erst durch die heutige, präzise Fertigteilproduktion mögliche Bauweise gleichzeitig den Eindruck einer handwerklichen Fügung mit kleinen Ungenauigkeiten, die die Plastizität und Kraft des Materials besonders hervorheben. Den oberen Abschluss des Turms bildet im Sinne eines Schlusssteins ein schweres Element aus Ortbeton. Ein schmaler Ausguck auf Augenhöhe gibt den Blick auf die Hochpunkte der umliegenden Stadt frei.

Neben der konstruktiven Klarheit und Raffinesse der Fügung der Bauteile aus nur einem Material würdigt die Jury auch die konsequente Durcharbeitung des Entwurfs in allen Ebenen und die besonders atmosphärische Darstellung durch ein im Sinne des Fügungsprinzips gebautes Betonmodell. Die Arbeit zeigt eindrücklich die Plastizität und das Potential des Werkstoffs Beton als vorgefertigtes, stapelbares Element.


Buchpreise 2018/19

Buchpreis: JA666 - Beton auf Beton

Klemens Czurda l Hochschule für Gestaltung Karlsruhe


Buchpreis: LB493, Pebble Rocking Chair

Lucas Balcilar l Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin


Buchpreis: MB021, B‘FREE – Schwebende Betonextrusion

Maximilian Becker l RWTH Aachen


Buchpreis: TC835, conTEX concrete textile

Tim Heidland, Vanessa Rilling l Frankfurt University of Applied Sciences

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